Aktuelle Entwicklung im eCommerce-Recht (September 2017 – November 2017)

1. Verkäufer kann nach erfolgreichem Antrag des Käufers auf PayPal-Käuferschutz erneut Kaufpreiszahlung verlangen

In zwei Urteilen vom 22.11.2017 (Az. VIII ZR 83/16, VIII ZR 213/16) befasste sich der BGH erstmalig mit den rechtlichen Folgen einer Rückerstattung des vom Käufer mittels PayPal gezahlten Kaufpreises bei erfolgreichem Antrag auf PayPal-Käuferschutz. Nach Ansicht des BGH erlischt der Anspruch eines Verkäufers auf Zahlung des Kaufpreises (§ 362 BGB), sobald der vom Käufer entrichtete Betrag vereinbarungsgemäß dem PayPal-Konto des Verkäu-fers gutgeschrieben wird. Gleichwohl treffen die Vertragsparteien mit der einverständlichen Verwendung des PayPal-Bezahlsystems stillschweigend die weitere Vereinbarung, dass die betreffende Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn das PayPal-Konto des Verkäufers nach erfolgreichen Antrag des Käufers auf Käuferschutz rückbelastet wird.

Zu diesem Ergebnis kommt der BGH im Wege der interessengerechten Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der zwischen PayPal und den Nutzern von PayPal jeweils vereinbarten AGB, insbesondere der sogenannten PayPal-Käuferschutzrichtlinie. Nach dieser entscheidet PayPal „lediglich“ über Antrag auf Käuferschutz. In der neueren Version der PayPal-Käufer-schutzrichtlinie heißt es zudem, dass „die gesetzlichen und vertraglichen Rechte zwischen Käufer und Verkäufer nicht“ berührt werden und diese „separat“ von den PayPal-Regelungen zu betrachten seien. Nach Ansicht des BGH ist die Annahme einer stillschweigend vereinbar-ten Wiederbegründung der Kaufpreisforderung auch deshalb geboten, weil PayPal nur einen einfachen Prüfungsmaßstab anlegt. Damit sei eine sachgerechte Berücksichtigung der Inte-ressen beider Vertragsparteien nicht sichergestellt. Der interessengerechte Ausgleich ist über das gesetzliche Mängelgewährleistungsrecht (§§ 437 ff. BGB) zu erreichen.

3. Vorschuss des Verkäufers für Transportkosten bei Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten durch den Käufer

Im Rahmen des Nacherfüllungsverlangens des Käufers hat der Verkäufer die Pflicht einen Transportkostenvorschuss zu leisten. Ob das tatsächliche Vorliegen eines Mangels bereits geklärt ist, ist unbedeutend, wenn es sich um einen Verbrauchsgüterkauf handelt. Nach§ 476 BGB ist zu unterstellen, dass der gerügte Mangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs bereits vorgelegen hat.
Dies entschied der BGH in seinem Urteil vom 19.07.2017 (Az.: VIII ZR 278/16) im Wege der Auslegung des § 439 Abs. 2 BGB. Im zugrundeliegenden Sachverhalt erwarb die Klägerin aus Schleswig-Holstein einen PKW bei der Beklagten (Fahrzeughandel aus Berlin) über ein Internetportal. Wegen eine angeblichen Motordefekts machte die Klägerin ihren Nacherfüllungsanspruch geltend. Die Beklagte bot der Klägerin Nachbesserung in Berlin an. Mit dem Hinweis auf die Fahruntüchtigkeit des PKW forderte die Klägerin die Abholung durch die Be-klagte oder einen Versandkostenvorschuss. Nachdem die Beklagte auf die Forderung nicht reagierte, ließ die Klägerin eine Reparatur veranlassen und machte gegenüber der Beklagten einen Schadensersatzanspruch für die von ihr veranlasste Reparatur des PKW geltend.


Der BGH entschied, dass Verkäufer zur Zahlung eines Vorschusses für den Transport verpflichtet sein kann, wenn sich die Kaufsache nicht am Ort der Nacherfüllung befindet. Ein „taugliches Nacherfüllungsverlangen“ des Käufers muss nach ständiger Rechtsprechung des BGH zwar auch die Bereitschaft umfassen, dem Verkäufer die Kaufsache am Nacherfüllungsort zur Verfügung zu stellen, ausreichend sei jedoch die Bereitschaft gegen einen Vorschuss den erforderlichen Transport zu ermöglichen. Damit habe die Klägerin die Anforderungen an das Nacherfüllungsverlangen erfüllt und der Verkäufer sei zur Zahlung des Transportkostenvorschusses verpflichtet.

4. Irreführung durch Angabe einer Telefonnummer im Widerrufsformular

Online-Händler werden derzeit vermehrt wegen Angabe einer Telefonnummer im Widerrufsformular abgemahnt. In Anlage 2 zum EGBGB gibt der Gesetzgeber vor, wie das Widerrufsformular ausgestaltet sein muss. Die Angabe einer Telefonnummer ist darin nicht vorgesehen.
In der Widerrufsbelehrung hingegen muss eine Telefonnummer angegeben werden (Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB). Dies gilt zumindest solange bis der EuGH über die Frage entschie-den hat, ob die deutsche Vorschrift des Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB richtlinienkonform ist (siehe Punkt 4 dieses Newsletters).

4. BGH ersucht Entscheidung des EuGH: Ist die Angabe einer Telefonnummer im eCommerce Pflicht?

Nach Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB gehört es zur Informationspflicht des Unternehmers im eCommerce (§ 312 d BGB), dem Verbraucher seine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen. Nach Auffassung des BGH (ebenso des OLG Köln in der Berufungsinstanz, Urt. v. 08.07.2016, 6 U 180/1511) ist die diese Vorschrift nicht mit dem Unionsrecht vereinbar, weil die Bestimmung Art. 6 Abs. 1 Buchst. C der RL 2011/83/EU12 die Angabe einer Telefonnummer lediglich „gegebenenfalls“ und nicht in jedem Fall verpflichtend vorsieht.
Aus diesem Grund hat der BGH mit Beschluss vom 05.10.2017 (Az.: I ZR 163/1613) dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Mitgliedstaaten eine Bestimmung vorsehen können, die – wie die Bestimmung des Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB – den Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher im Rahmen des Abschlusses von Fernabsatzverträgen vor Abgabe von dessen Vertragserklärung [nicht nur gegebenenfalls, sondern stets] seine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen.
Bis diese Frage abschließend geklärt ist, sollten Online-Händler eine Telefonnummer gemäß der Regelung in Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB in ihrem Shop angeben.

„Sofortüberweisung“ ist als einziges unentgeltliches Zahlungsmittel nicht zu-mutbar

Nach § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB ist eine Vereinbarung, durch die ein Verbraucher verpflichtet wird, ein Entgelt dafür zu zahlen, dass er für die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten ein bestimmtes Entgelt nutzt, unwirksam, wenn für den Verbraucher keine gängige und zumutbare unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit besteht.
Mit seinem Urteil vom 18.07.2017 (Az.: KZR 39/1615) entschied der BGH, dass das Zahlungs-mittel „Sofortüberweisung“ als einziges unentgeltliches Zahlungsmittel gegen § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB verstößt, da es nach Ansicht des Gerichts nicht zumutbar ist. Durch Zwischenschaltung eines Zahlungsdienstleisters würden die Verbraucher einem zu hohen Risiko ausgesetzt.


Hinweis:
Ab dem 18. Januar 2017 gilt das sogenannte „Surcharging“-Verbot. Händler dürfen ab diesem Zeitpunkt kein Entgelt mehr für die Nutzung bargeldloser Zahlungsmittel erheben (siehe hierzu auch: Rechtliche Änderungen in 2018).

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