Vorbeugender Schutz gegen erwartete Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird effektiver

Schutzschriften sind gesetzlich nicht geregelte, jedoch allgemein anerkannte vorbeugende Verteidigungsschriftsätze gegen erwartete Anträge auf Arrest und vor allem einstweilige Verfügung.

Hintergrund

Vor allem im Wettbewerbsrecht werden Wettbewerbsverstöße eines Mitbewerbers in aller Regel zunächst einmal abgemahnt. Gibt der Abgemahnte keine oder nur eine unzureichende strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, so wird der Verletzte in aller Regel kurzfristigen Eilrechtsschutz mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim zuständigen Landgericht erstreben. Hat der Verletzte den Wettbewerbsverstoß hinreichend glaubhaft gemacht, wozu eine eidesstattliche Versicherung der den Verstoß begründenden Tatsachen ausreicht, so kann das Gericht die einstweilige Verfügung erlassen, ohne den Antragsgegner vorher zu hören. Die Beschlussverfügung ist dann vom Antragsgegner nach deren Zustellung (auf Veranlassung des Antragstellers) selbst dann zu beachten, wenn sie zu Unrecht erlassen wurde. Zwar kann der Antragsgegner dagegen Einspruch erheben und eine gerichtliche Überprüfung in einer mündlichen Verhandlung erreichen. Das kann allerdings einige Tage oder auch Wochen dauern. Bis dahin ist die einstweilige Verfügung grundsätzlich zu beachten. Bei Zuwiderhandlungen drohen Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € oder Ordnungshaft.

Sinn und Zweck der Schutzschrift

Mit der Schutzschrift kann der durch die Abmahnung gewarnte mögliche Antragsgegner erreichen, dass die einstweilige Verfügung nicht, zumindest aber nicht ohne mündliche Verhandlung durch das zuständige Gericht erlassen wird. Denn in ihr hat er die Möglichkeit, den Sachverhalt aus seiner Sicht darzustellen und seinerseits glaubhaft zu machen.

Problem: Ubiquitäre Abrufbarkeit im Internet

Die meisten Unternehmen setzen zwischenzeitlich verstärkt auf Onlinewerbung. Dementsprechend stark angestiegen ist auch der Anteil von Wettbewerbsverstößen im Internet. Für die Rechtsverteidigung gegen eine zu erwartende einstweilige Verfügung ergibt sich daraus ein ganz praktisches Problem. Denn nach der Rechtsprechung kann sich der Antragsteller bei häufig das Gericht aussuchen, bei dem er den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung einreichen will (§ 14 Abs. 2 S. 1 UWG, § 32 ZPO). Man spricht insoweit vom „fliegenden Gerichtsstand“, beim prozessstrategischem Aussuchen des Gerichts auch vom „Forum Shopping“. Örtlich zuständig ist nämlich jedes Gericht, in dessen Bezirk die Handlung begangen wurde, was auch der Erfolgsort sein kann. Da Onlinewerbung nun einmal überall abgerufen werden kann, kommt somit theoretisch jedes sachlich zuständige Gericht in Deutschland in Betracht. Im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit sind dies bundesweit derzeit 115 Landgerichte und 646 Amtsgerichte.

Konsequenzen für die Verteidigung mit Schutzschriften

Zwar sind im Bereich des Wettbewerbs-, Urheber- und Markenrechts die sachlichen Zuständigkeiten der Gerichte durch landesspezifische Konzentrationsverordnungen reduziert. Dennoch verbleibt eine Vielzahl sachlich und örtlich zuständiger Gerichte, bei denen der Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt werden könnte. Im Zweifel muss der den Abgemahnten verteidigende Rechtsanwalt daher bei allen theoretisch in Betracht zu ziehenden Gerichten eine eigene Schutzschrift einreichen, da die Schutzschrift nur für das jeweils angerufene Gericht Wirkung hat – ein erheblicher Arbeits- und Sachaufwand bei Antragsgegnern und beteiligten Rechtsanwälten.

Lösung: Elektronisches Schutzschriftenregister

Mit dem zum 1.1.2016 in Kraft tretenden § 945 a ZPO und der auf der Grundlage des § 945 b ZPO zum 1.1.2016 in Kraft tretenden Schutzschriftenregister Verordnung (SRV) wird es Rechtsanwälten möglich sein, Schutzschriften zentral elektronisch in einem Online-Schutzschriftenregister zu hinterlegen, welches von allen Gerichten abgerufen werden kann. Der Vorteil liegt darin, dass fortan nur noch ein Dokument erstellt werden muss, was auch zu einer erheblichen Entlastung der Telefax-Geräte der Gerichte führen dürfte. Allerdings stellt § 2 SRV einige Anforderungen an die Einreichung. So können nur technisch geeignete Dokumente eingereicht werden, die eine automatisierte Einstellung in das Register ermöglichen. Welche das sind, ist in der Verordnung bewusst zugunsten des Betreibers des Registers offen gelassen worden. Zudem muss das Dokument entweder qualifiziert digital signiert oder auf einem sicheren Übertragungsweg (z.B. DE-Mail-Verfahren oder elektronisches Anwaltspostfach) eingestellt werden.

Pflicht zum Abruf durch die Gerichte

Eine Pflicht zur Beachtung der Schutzschriften im elektronischen Register durch die Gerichte ist nicht ausdrücklich geregelt worden. Dieser dürfte sich jedoch aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ergeben. Das Gericht hat im Zeitraum zwischen Eingang des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz und Erlass der Eilentscheidung durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass eingehende Schutzschriften berücksichtigt werden. Der (letzte) Abruf des Registers sollte daher möglichst zeitnah vor Erlass der gerichtlichen Eilentscheidung erfolgen (siehe Begründung zum Referentenentwurf der SRV).

Anmerkung:

Die verbindliche Einführung eines elektronischen Schutzschriftenregisters als eine weitere Maßnahme im Rahmen der Modernisierung des elektronischen Rechtsverkehrs ist zu begrüßen. Die Anwaltschaft wird sich schnell darauf einstellen. Hier wirken die Regulierungskräfte des Marktes. Überdies sind Rechtsanwälte ab 1.1.2017 nach § 49 c BRAO verpflichtet, Schutzschriften ausschließlich zum elektronischen Schutzschriftenregister einzureichen. Um tatsächlich effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, ist vor allem auch die Justiz gefordert, die technischen und organisatorischen Voraussetzungen zum Abruf flächendeckend bereit zu halten.

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